Die Kaiserpfalz Ingelheim ist in großen Teilen als Boden- und Baudenkmal erhalten. Der auf dem Foto sichtbare Säulengang sowie die Pfeilerhalle sind Teile eines Halbkreisbaus der Pfalz, der das Stadtbild bis heute prägt.
Erbauungsjahr
Gründungsbau:
Ende des 8. Jahrhunderts
Fortifizierung und Ergänzung von Bauschmuck:
11.-13. Jahrhundert
Bauherr
Gründungsbau:
Karl der Große und
vermutlich Ludwig der Fromme
Staufischer Umbau:
Friedrich I. Barbarossa
Verfall
ab dem 15. Jahrhundert
Besiedelung des Pfalzgebietes,
Abtragung des Baumaterials
Ingelheim als Säule der Macht
Die Pfalz wurde als Versammlungs- und Festtagspfalz genutzt und zeugt von der ästhetischen und technischen Innovation der Karolinger um 800. Ingelheim ist eines der frühesten Beispiele karolingischer Baukunst, das unter die Renovatio (Wiederbelebung des Römischen Reiches) fällt. Der aus der römischen Antike aufgegriffene Repräsentationsgedanke spiegelt sich darin wieder: Die Ausstattung vereint die beste Bildhauerkunst des Reiches, römisch-antike Werke sowie kostbare Materialen. Die Palastanlage Ingelheim wurde mit großem technischen und ästhetischen Aufwand errichtet. Die eindrucksvolle Säulenhalle, die kostbaren Marmorböden am Heidesheimer Tor und in der Aula regia sowie der raumgreifende Grundriss stehen symbolisch für die Idee Karls des Großen, sich in die Tradition des Römischen Reiches zu stellen. So entstand einer der prachtvollsten Paläste inmitten der neuen Zentrallandschaft der Karolinger im Rhein-Main-Gebiet. Die Traditionsbildung wurde durch Königsaufenthalte der Ottonen und Salier fortgeführt und mündet in einer Auratisierung in der Mitte des 12. Jahrhunderts: Obwohl die Pfalz nicht mehr als Aufenthaltsort für Könige genutzt wurde, weil das Zeitalter des Reisekönigtums durch die Ausbildung von Hauptstädten vorbei war, blieb der Ruf als königlicher Herrschaftsort bestehen. Gottfried von Viterbo etwa nennt Ingelheim als Geburtsort Karls des Großen, und Hildegard von Bingen will sich hier mit Friedrich I. getroffen haben. Beide Behauptungen fallen unter die Legendenbildung.
Was heute noch sichtbar ist
Zu den heute noch sichtbaren Hauptgebäuden der Pfalz zählt die Königshalle (Aula regia), in der einst Hoftage und Herrschertreffen stattfanden. Die Außenwände sind bis auf die Ostwand unverändert, allerdings ist die ursprüngliche Traufhöhe von ca. 13,5 m nicht vollständig erhalten. Im Osten der Anlage sind Teile des Halbkreisbaus (Exedra) sichtbar, der aufgrund der Ausrichtung auch Heidesheimer Tor genannt wird. Hier befand sich die Toranlage, die von außen von runden Türmen flankiert wurde. Daran schloss sich der sogenannte Nordflügel an, von dem sich Mauer-reste erhalten haben.
Von der technisch anspruchsvollen Ausstattung der Palastanlage zeugt die Fernwasserleitung, die Quellwasser zur Pfalzanalage führte. Davon sind heute noch ein gemauertes Gewölbe über einem in die Pfalz mündenden Kanal am Heidesheimer Tor und das Bassin der Fernwasserleitung (Reinigungsbecken) sichtbar.
Etwa 500 m von der Aula regia entfernt, außerhalb des eigentlichen Kernareals der Pfalz, befindet sich die heutige St. Remigiuskirche, die vermutlich als Pfalzkirche genutzt wurde.
In salischer Zeit wurde neben einem bestehenden, heute
nicht mehr erhaltenen Sakralbau, die Saalkirche errichtet, die noch heute als Kirche genutzt wird. Aus staufischer Zeit (11.-13. Jahrhundert) stammt die Wehrmauer mit einer Höhe von 10,5 m, von der sich ein großer Teil erhalten hat.
Rekonstruktion der Anlage
Der symmetrische Grundriss aus Halbkreis und Quader ist ein Alleinstellungsmerkmal der Pfalz Ingelheim. Die Pfalzanalage weist eine Länge von 142,5 m und eine Breite von 99,5 m auf. Im Westen befindet sich die als Saalbau angelegte Aula regia. Diese Thronhalle wurde in der Form einer spätantiken Palastaula mit Apsis (Nische) und Vorhalle angelegt. Die halbrunde Apsis war möglicherweise der Aufstellungsort des Throns bei öffentlichen Regierungsgeschäften. Die Apsis wurde von einem Triumphbogen überspannt, von dem in originaler Lage ein Kämpferstein erhalten ist. Die Aula regia stellte als Hauptgebäude den architektonisch inszenierten Höhepunkt der gesamten Anlage dar. Daran schloss sich der Halbkreisbau mit einem Durchmesser von 89 m an, der die gesamte Ostseite der Palastanlage einnahm. Das 3,5 m breite Tor führte durch eine Pfeilerhalle, die mit kostbarem Marmor ausgelegt war, in den antikisierenden Säulengang. Der Halbkreisbau prägt den Grundriss der Pfalz und zeichnet sich bis heute im Stadtbild ab. Im Norden der Pfalzanlage befand sich ein 60 m langer Gebäudekomplex.
Dieser sogenannte Nordflügel wies sechs bis acht Säle auf und diente möglicherweise als Unterkunft für Gäste. Der Halbkreisbau mit angeschlossenem Nordflügel wurde von 53 Säulen getragen. Diese Säulenarchitektur verlieh dem Gebäude einen besonders repräsentativen Charakter und war vom Rhein aus sichtbar.
Ein eigener Sakralbau war für die Anlage um 800 in der Forschung lange nicht bekannt. Im Rahmen von Neugrabungen 2003/04 konnten Apsiden (halbrunde Nischen) freigelegt werden, die sich zu drei übereinander liegenden Kirchenbauten rekonstruieren lassen. Die Apsiden sind heute nicht mehr sichtbar, aber im Stadtboden markiert. In salischer Zeit wurde dieser karolingische Bau als Sakralbezirk erweitert und die Saalkirche errichtet. Diese wird bis heute, mit baulichen Veränderungen des Langhauses, als Kirche genutzt. Ein dezentrales Sakralzentrum befand sich in der heutigen St. Remigiuskirche etwa 500 m von der Aula regia entfernt.
Über eine unterirdische Fernwasserleitung wurde Quellwasser in Trinkwasserqualität aus der ca. 7 km entfernten Karlsquelle bei Heidesheim gespeist. Sie gilt als erste Fernwasserleitung des Mittelalters.
Ingelheim als Herrschaftsort
Der Bau der Ingelheimer Pfalz steht im Zusammenhang mit der territorialen Expansion des Fränkischen Reichs am Ende des 8. Jahrhunderts. Bereits in der Merowingerzeit war Ingelheim ein bedeutender Ort in der Region, denn hier befanden sich mehrere Siedlungen mit Gräberfeldern sowie ein in der heutigen St. Remigiuskirche entdecktes Taufbecken aus der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts. Damit wäre St. Remigius eine der frühesten merowingerzeitlichen Kirchengründungen am Mittelrhein. Nachweise eines frühchristlichen Tauforts am Rhein sind ansonsten nur aus Köln und Boppard bekannt. Das Taufbecken deutet daher auf eine überregionale Bedeutung der Kirche und eine hohe Entwicklung des Ortes hin.
Die Pfalz Ingelheim wurde von Karl dem Großen (768-814 König des fränkischen Reichs; ab 800 römisch-deutscher Kaiser) bis zu den frühen Saliern als Herrschaftsort genutzt, wie die Königsaufenthalte zwischen 787 und 1043 belegen. Die erste urkundlich belegte Versammlung fand unter dem Sohn Karls des Großen, Ludwig dem Frommen (781-840; ab 814 römisch-deutscher Kaiser), 826 statt. Insbesondere die Ottonen, Nachfolger der Karolinger, nutzten Ingelheim als Fest- und Synodalpfalz. Wichtige Versammlungen wie die Generalsynode 948 wurden hier abgehalten. Otto III (983-1002; ab 996 römisch-deutscher Kaiser) hielt sich mehrere Jahre in Ingelheim auf. Da er noch unmündig war, hielten sich auch die Kaiserinnen Theophanu († 15.06.991) und Adelheid († 16.12.999) als seine Beraterinnen hier auf.
Auch die Salier nutzten den Ort. 1030 fand die Festkrönung Konrads II. (1027-1039 römisch-deutscher Kaiser) hier statt. 1043 wurde die Hochzeit von Heinrich III. (1046-1056 römisch-deutscher Kaiser) mit Agnes von Poitou (†14.12.1077) an diesem herrschaftlichen Ort ausgerichtet.
Besonderheiten der Architektur
Das Bauprogramm der Pfalz Ingelheim ist im Kontext der „Karolingische Erneuerung“ zu betrachten, die schon damals mit dem Begriff „Renovatio Imperii Romanorum“ gefasst wurde und die Wiederbelebung des Römischen Reiches durch Karl den Großen meint. Dabei ging es nicht nur um die Wiederherstellung der Reichsgrenzen, sondern auch um das Wiedererlangen eines hohen kulturellen Standards. In den Augen Karls stellte die Römische Kunst den kulturellen Höhepunkt der Geschichte dar. Sein Streben nach antiken Idealen schlug sich auch in der Architektur nieder: Die Baupläne der Pfalzen in Aachen und Ingelheim spiegeln die römisch-antike Idee einer repräsentativen Idealarchitektur wider. Die mehrgeschossige Aachener Marienkirche geht beispielweise auf antike Zentralbauten wie San Vitale in Ravenna zurück, während der Grundriss der Pfalz Ingelheim von römisch-antiken Villen und Palästen inspiriert war.
Der herrschaftlichen Architektur Roms begegnete Karl der Große auf seinen Zügen nach Italien. Um sich zeichenhaft in die Tradition des Römischen Reiches zu stellen, zitierte er Elemente römischer Architektur in seinen eigenen Baukonzepten. Dabei wurden bestimmte Wesenszüge eines Bauwerks nachempfunden, und nicht etwa eine Gesamtkopie durchgeführt. Insbesondere die sogenannten Spolien, römische Bauelemente wie Kapitelle, die Karl der Große aus antiken Ruinen entnahm und in seine Pfalzen integrierte, sind ein Zeichen des vorbildhaften Charakters römischer Architektur für die karolingische Palastanlage. Als originale Bauelemente sind diese nicht nur abbildhaft zitiert, sondern reale Objekte eines machtvollen Vorbildes. Die Bauskulptur war jederzeit sichtbar und spiegelte die Repräsentationsvorstellung des karolingischen Königs wider. Um als mächtiger Herrscher wahrgenommen zu werden, demonstrierte Karl der Große seine Position nicht nur politisch, sondern auch auf kulturell-künstlerischer Ebene.
Bauausstattung
Die erhaltene Bauausstattung der Pfalz weist unterschiedliche Stile auf. Zum einen ist der Einfluss der Antike sowohl durch die Verwendung als auch Nachahmung römischer Skulptur nachgewiesen. Damit erhielt die Pfalz imperiale Züge, in denen die politischen Ambitionen Karls des Großen sichtbar wurden. Zum anderen ist die Bauskulptur auch von der zeitgenössischen, italienischen Strömung geprägt. Wieder andere Objekte weisen dagegen eigenständige künstlerische Ausprägungen auf. Der Bauschmuck wurde selbstbewusst in unmittelbarer Nachbarschaft zu antiken Elementen integriert.
Diese Diversität zeigt, dass die karolingische Architektur in Ingelheim von einer besonderen Formenvielfalt geprägt war und bewusst keinen einheitlichen Stil anstrebte. Karl dem
Großen ging es im Rahmen der Antikenrezeption nicht darum, so viel römische Bauskulptur wie möglich in die eigenen Bauwerke einzusetzen, sondern seine Herrschaft durch das römische Vorbild zu legitimieren. Die zahlreichen Künstler und Gelehrten, die er z. B. an seiner Hofschule in Aachen versammelte, wiesen ihn als fähigen, innovativen Herrscher aus.
Besonderheiten des Standorts
Die Pfalzanlage wurde am Nordhang des Rheinhessischen Plateaus errichtet, 4 km vom Rhein entfernt. Sie war von fruchtbaren Obst- und Weingärten umgeben und gliederte sich an die antike Wegverbindung zwischen Mainz und Bingen an. Hier im Rhein-Main-Gebiet liefen die wichtigsten Verbindungslinien zu Wasser und zu Land zusammen. Sie waren die geopolitisch-strategische Voraussetzung für die Ausbildung einer politischen Zentrallandschaft. Das Dreieck Frankfurt, Worms und Ingelheim bildete in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bischofssitz in Mainz ein Machtgefüge. Staatsrechtliche und politische Entscheidungen konzentrierten sich auf diese Kernlandschaft an Rhein und Main. Davon zeugen auch die Reisewege (Itinerare), die zeigen, dass sich die Herrscher vornehmlich in dieser Region bewegten. In der Kernlandschaft befand sich das Königsgut (Grundbesitz), und daher konnte sich der König hier, im Vergleich zu den eroberten und beherrschten Gebieten, problemlos häufiger aufhalten. Die bevorzugte Nutzung bestimmter Stützpunkte stellt eine frühe Form der Raumbeherrschung dar. Die Regierungsorganisation ist vergleichbar mit heutigen Hauptstädten, wobei längere Aufenthalte noch nicht üblich waren (Reisekönigtum).
Die Entwicklung der Pfalz
Nach dem Tod von Karls Sohn Ludwig dem Frommen im Jahr 840 verlor die Pfalz vorübergehend ihre Rolle als Herrschaftsort. Eine Blütezeit als Fest- und Synodalpfalz erlebte Ingelheim in ottonischer Zeit. Dies liegt wohl auch in der Kindsherrschaft Ottos III. begründet, der sich hier dauerhaft niederließ.
Bauliche Veränderungen in ottonischer Zeit waren sowohl erhaltender als auch funktionaler Natur. Um die Pfalz zeittypisch zu befestigen, wurde der ursprüngliche Grundriss durch eine Wehrmauer mit Graben erweitert. Außerdem wurde der Vorgängerbau der heutigen Saalkirche im 12. Jahrhundert mit romanischem Bauschmuck ausgestattet, der heute noch sichtbar ist. Bemerkenswert ist, dass das ursprüngliche Erscheinungsbild der Aula regia über die Jahrhunderte hinweg nicht verändert wurde. Alle dort durchgeführten Maßnahmen dienten der Erhaltung der Königshalle, was die Wertschätzung der Bauleistung Karls des Großen ausdrückt.
Archäologische Forschung
Die erste Bodenöffnung wurde bereits 1888/89 durchgeführt. Allerdings lag diesen Arbeiten keine wissenschaftliche Systematik zugrunde. Diese setzte erst im 20. Jahrhundert ein. 1909 bis 1914 wurden Forschungsgrabungen des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft durchgeführt. Bauforschungen von 1909 bis 1935 lieferten eine ungefähre Kenntnis über die Größe der Pfalzanlage. Archäologische Forschungen von 1950 bis 1970 schlossen daran an und ergaben einen von den Bauforschungen abweichenden Grundriss. Zudem wurde nun zwischen drei Bauperio-den unterschieden: einer karolingischen, ottonischen und staufischen. Seit den 1990er Jahren führt die Forschungsstelle Kaiserpfalz der Stadt Ingelheim in Kooperation mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz archäologische Forschungen durch. Diese lieferten neue Erkenntnisse über die frühe Siedlungsgeschichte des Ortes. Dabei belegt ein kürzlich entdecktes Taufbecken in der St. Remigiuskirche die besondere Rolle des Ortes, die bereits in der Merowingerzeit einsetzte. St. Remigius wurde den aktuellen Untersuchungen zufolge bis zum Bau der Saalkirche in ottonischer Zeit als Pfarrkirche genutzt. Außerdem fanden hier Versammlungen statt. Weitere Forschungen zur Datierung und Nutzung laufen aktuell.
Ihr Besuch
Informationen zu Corona
Bitte befolgen Sie die aktuellen Hygiene- und Verhaltensregelungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und achten Sie auf mögliche Änderungen der Öffnungszeiten.
Die Archäologische Zone der Kaiserpfalz Ingelheim ist frei zugänglich.
Einige Präsentationsbereiche sind jedoch nur zu folgenden Öffnungszeiten vollständig zu besichtigen:
April bis Oktober:
Dienstag bis Donnerstag: 10 bis 17 Uhr
Wochenende & Feiertage: 10 bis 18 Uhr
November bis März:
Dienstag bis Sonntag & Feiertage: 10 bis 16 Uhr
Eintritt: frei
Im Besucherzentrum kann ein E-Guide entliehen werden, der mit Audio- und Bildmaterial durch die Archäologische Zone führt.
Auch Informationsflyer liegen dort vor.
Im Museum bei der Kaiserpfalz wird der Goldmünzenfund der Ingelheimer Pfalz präsentiert.
Zudem befindet sich dort ein Volumenmodell der Palastanlage.
Besucherzentrum und
Museum bei der Kaiserpfalz
François-Lachenal-Platz 5
55218 Ingelheim am Rhein
Tel: 06132 / 714701
info-museum@ingelheim.de
www.museum-ingelheim.de
Tourist-Information im Winzerkeller
Binger Straße 16
55218 Ingelheim am Rhein
Anfragen von Führungen:
Telefon: 06132 / 710009200
touristinformation@ikum-ingelheim.de
www.ingelheim-erleben.de
Forschungsstelle Kaiserpfalz Ingelheim
Mainzer Straße 68
55218 Ingelheim am Rhein
Telefon: 06132 / 719 69 69
kaiserpfalz@ingelheim.de
www.kaiserpfalz-ingelheim.de
www.kaiserpfalz-ingelheim.eu